Spielbericht

22. Spieltag: FC Iphofen - SV Willanzheim 1:3 (1:0)

| Fußball - 1. Mannschaft

Liebe Freunde des SV Willanzheim, liebe Gastleser des FC Iphofen,

wo soll ich anfangen… es gab Überlegungen, nach dem Satz „Der SV Willanzheim gewinnt ein weiteres Derby gegen den FC Iphofen“ Schluss zu machen oder gar nur die Begegnung „FC Iphofen gegen SV Willanzheim“ anzusagen und den Leser sich den Rest dazu denken zu lassen. Grob überschlagen verlor nämlich keiner der auf dem Platz anwesenden Spieler jemals ein Liga-Derby gegen unseren Stadtrivalen, nicht einmal die ältere Riege um Dieter Schmitt. Oder anders gesagt: als wir das letzte Mal gegen unsere Freunde aus der sonnigen Weinbergregion verloren, gab unser Autor dieses Textes gerade sein Jugenddebut für den SVW in der U9. Aber erstens würde ich mir mit einem so kurzen Bericht die Sache zu leicht machen und zweitens hatte dieses Spiel wesentlich mehr verdient als eine einzige Word-Zeile. Nur um vorab ein was klar zu stellen, falls an dieser Stelle Missverständnisse und falsche Hoffnungen aufkommen sollten: Natürlich haben wir auch dieses Derby gewonnen. Alles andere wäre undenkbar. Die Frage dreht sich aber viel mehr um das „wie“ als um das „ob“. Denn was sich an diesem sonnenreichen Ostersamstag auf dem Vereinsplatz des FCI abspielen sollte, lag irgendwo zwischen den beiden Polen einer Copyright-geschützten, genial ausgedachten Fiktion einerseits und einem „Naja, ma‘ hat’s kommen sehen…“ andererseits. Kurz gesagt, ein Derby-Sieg, wie er im Buche steht. Doch wie das Schicksal seinen Lauf nehmen sollte und der Fußballgott die Vorsehung wahr lassen werden sollte, lesen Sie selbst…

Alle Voraussetzungen waren an diesem herrlichen Ostersamstag für ein gutes Derby geschaffen. Strahlender Sonnenschein, ein wolkenloser Himmel, ein Hauch von Bratwurst und Hopfengetränken in der Luft, frisch gemähter Rasen, ein 1:0 für den Gastgeber, das man erstmal wieder aufholen musste… Moment, was? Ja, tatsächlich… Es zeigte sich nämlich schon früh in der Partie, dass es dieses Mal kein standardmäßig einfacher Sieg für uns werden sollte. Doch von vorne. Denn dem tatsächlich frühen, vielleicht etwas umstrittenen 1:0 für den FC Iphofen ging eine starke Anfangsviertelstunde vom SVW voraus. Durch einen sauberen und dynamischen Spielaufbau kamen wir häufig zu gefährlichen Aktionen in der gegnerischen Hälfte. Benedikt, im Volksmund des Kröpfers auch als „Klee Strohmer“ bekannt, holte uns schließlich sogar einen Elfmeter raus. Doch diesen schon so früh in der Partie zum 1:0 zu verwandeln und damit den Anfang von einer Packung für den Gastgeber einzuleiten, schien uns etwas zu plump und witzlos. Es galt, die Zuschauer möglichst lange an der Stange zu halten. Vielleicht auch deshalb verschossen wir den Elfmeter und kassierten nur kurze Zeit später das bereits besagte 1:0 gegen uns. Trotz des Urvertrauens in die Geschicke des Derby-Gottes – und nein, ich rede (noch) nicht von Pascal Schmitt – erschwerte uns das die Angelegenheit natürlich zusehends. Die daraus resultierende Hektik erstickte zu großen Teilen unseren Spielwitz und unser Können. Wir waren im Derby-Kampf angekommen, obwohl wir in diesen nie rein wollten. Doch obwohl es spielerisch bei uns nicht mehr ganz so flüssig lief, kamen wir bis zum Pausenpfiff zu weiteren guten Chancen, eingeleitet größtenteils durch das stark aufspielende Duo um Benni und Atschi.

Die zweite Hälfte ging ähnlich hektisch weiter. Durch Unkonzentriertheiten im Spielaufbau und zu ungenauen Pässen in der Bewegung nach vorne kamen wir nie in den souveränen Besitz des – Achtung, kein Witz – Spielballes namens „Derbystar“. Iphofen sollte das in die Karten spielen, denn aus diesen Balleroberungen zogen sie gekonnt ihren Matchplan durch. Langen Ball auf Stürmer suchen, Ball festmachen, Mittelfeldreihen nachkommen lassen, Konter fahren. Und obwohl die Gastgeber dieses Spiel zur Perfektion beherrschten und uns so einige Körner lassen ließen, die wir im Offensivspiel gut hätten gebrauchen können, kamen sie weiterhin zu keiner nennenswerten Torchance. Aber auch uns sollte weiterhin kein Chancenglück vergönnt sein. Alle gut rausgespielten Torchancen fanden ihr Ende am Aluminium des Iphöfer Kastens. Zum ersten Mal stellte sich in den Köpfen einiger Spieler auf dem Feld ein und dieselbe Frage: Was würde passieren, sollte Iphofen tatsächlich mal ein Derby gewinnen? Würde für uns Willanzheimer Fußball dann überhaupt noch einen Sinn ergeben? Und noch viel wichtiger: Würde das Knauf-Museum seine aktuelle Ausstellung über den historischen letzten Derby-Sieg noch vor der Millennium-Wende schließen müssen (vgl. Ziegler 2019)? Dass mit einem derartigen Horror-Szenario durchaus zu rechnen sein musste, zeigte sich nicht zuletzt durch die in immer kürzeren Intervallen aufkommenden „Jungs, heute packen wir’s endlich! Heute gewinnen wir!“-Rufe des gegnerischen Torwartes. Doch dann geschah es. Ein kurzes Leuchten. Ein Blitz! Dann ein langes, erzürnendes Donnern… Der Fußball-Gott, fleischgeworden durch die Einwechslungen von Carlo „El Grande“ Schmitt und dem Niktator, griff in die Geschicke ein, um die Vorsehung wahrwerden so lassen. Wir schreiben die 81. Spielminute. Fans in blau-weißen Farben liegen sich schon weinend und tröstend in den Armen, manche verlassen „gatt-ach-gatt!“ und „sou schlacht!“ murmelnd das Stadion, um dem Stau zu entgehen. Doch in Benni Strohmer glüht weiterhin ein Fünkchen Hoffnung. Er zieht ein Foul, linker Flügel, 5 Meter hinter dem Sechzehner-Eck. Niklas, König des – ich meine der Standards legt sich die Murmel zurecht. Alle warten auf die Flanke. Er schaut auf, läuft an - zeitgleich mit den am 11er-Punkt wartenden Spielern. …und hängt das Ding ohne große Umschweife direkt über die Mauer ins linke obere Eck. Ausgleich. Entsetzen in Rot, schiere Freude Blau-Weiß! Hiermit war die Grundlage für die Auferstehung des Carlo „Il Famoso“ geschaffen. Zeitzeugen werden über die folgenden 6 Minuten erzählen, es sei wie ein Rausch, eine übernatürliche Erscheinung gewesen, die sich uns einfachen, unwürdigen Spielern offenbart hat, um uns den Sinn des Fußballs zu zeigen. Da keinem die folgenden Ereignisse als etwas tatsächlich Präsentes, sondern viel mehr als etwas Surreales, etwas nur, und immer nur, in der Vergangenheit Dagewesenes vorkamen, werde ich versuchen, diese letzten Minuten in Vergangenheitsform darzustellen, um den Geschehnissen annähernd gerecht werden zu können. Soweit Zeugen sich erinnern konnten, war es Julian Ziegler, der alles einleitete. Seine Flanke von rechts fand den Weg in die Mitte, konnte nicht geklärt werden und wurde auf Carlo, der zur rechten des Niktators sitzt, abgelegt. Man erinnerte sich noch daran, wie sich das Spielfeld für einen Wimpernschlag verdunkelte. Als es dann wieder hell wurde, zappelte der Ball im Netz. Ohrenbetäubender Lärm, und doch kam es einem vor, als wäre in diesem Moment alles still geworden. Ich hörte nur meinen Herzschlag und sah nur einen jubelnden Haufen, in dem ich mich kurze Zeit später selbst wiederfand. Er hat es getan, er hat das Spiel gedreht. Doch er sollte noch nicht fertig sein mit seiner Aufgabe, für die er auf das Grün hinabgestiegen ist. Eingeleitet durch Benni, ergriff er, dessen Name nicht mehr ausgesprochen werden darf und ab sofort nur noch als Derby-Sieger zu titulieren ist, den Ball im Konter und setzte ihn, wie als wäre es das Natürlichste auf der Welt, mit einer inneren Ruhe ins lange Eck. Die Trance hielt an. Es entstand ein riesiger blauer Berg auf dem Spielfeld. Irgendwo in der Ferne hörte man einen Schiedsrichter zum Schlusspfiff pfeifen.

Und so sollte das Vorbestimmte wahr und wir alle Zeuge dessen werden.

Zurück zu den Banalen Dingen dieses Tages. Rückblickend war es ein Derby-Sieg, wie er im Buche steht und wie man ihn sich nicht besser ausdenken könnte, und wie er noch nie dagewesen war. Umso ausgelassener war die anschließende Feier, die sich bei einigen weit in die späten Abendstunden im Sportheim des FCI zog. Dass dieser für ebenjenen Tag einen Mannschafts-Abend veranstaltete, obwohl oder gerade weil Derby-Tag war, erscheint im Nachhinein entweder etwas blauäugig oder aber masochistisch, wenn man Spaß daran haben sollte, sich seine eigene Feier mit einer Niederlage zu vermiesen. Doch auch wenn unsere tapferen Helden ab diesem Zeitpunkt das Feld räumen mussten, zogen sie dennoch weiter durch die Straßen und „verkündeten“ die frohe Kunde jenes denkwürdigen Tages, um Zeugnis von diesem abzulegen. Einziges Relikt von dieser glorreichen Zeit bleibt die Jogginghose des Hannes S. aus I., die nahe der Kindergartenkreuzung in Willanzheim zu Tage getragen wurde.